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02.07.2018, 22:55 Uhr | Omami
Hallo,

ich schreibe heute hier, weil ich seit gut einer Woche einfach nicht mehr weiter weiß. Es geht um meinen 15-Jährigen Pflegesohn, nennen wir ihn mal Thomas.

Er lebt seit ca. 6,5 Jahren mit seinen beiden jüngeren Geschwistern bei mir. Ich bin alleinerziehend und habe selbst drei leibliche erwachsene Kinder, wovon der älteste Sohn (34 Jahre) noch bei mir im Haus wohnt. Aber nun zu meinem Problem:

Vor zwei Tagen entdeckte ich im Maisfeld hinter unserem Haus zwei größere Flächen mit abgeschnittenen Maispflanzen. Da die Pflanzen direkt von unserer Gartentür weg abgeschnitten wurden, fragte ich bei meinen Pflegekindern nach wer dies war. Nach anfänglichen gegenseitigen Beschuldigungen, stellte sich heraus, dass Thomas zusammen mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder die Übeltäter waren. Da es eine wirklich große Fläche war, die die Kinder zerstört hatten, war ich natürlich sehr entsetzt. Auf Nachfrage, warum die Beiden das gemacht hatten, schob jeder die Idee dazu erst einmal auf den anderen. Daraufhin meinte ich zu Thomas, dass es egal wäre, wer von Beiden die Idee hatte - Tatsache ist, dass er mit seinen 15 Jahren hätte wissen müssen, dass dies eine Sachbeschädigung ist. Nachdem ich ihn nochmals nach dem Grund dafür gefragt habe, zuckte er (wie immer) nur mit den Schultern, starrte auf den Boden und meinte "weiß ich nicht". Ich habe Beide dann zu den mir bekannten Bauern gefahren und sie mussten ihm erzählen, was sie angestellt hatten. Leider war der Bauer schon fast zu nett zu den Jungs (weil er sie auch kannte, sie fahren beide gerne ab und zu bei ihm auf dem Traktor mit), er meinte nur, dass sie das bitte nicht mehr machen sollen. Mir wäre es eigentlich lieber gewesen, wenn sie irgendeine Strafarbeit hätten leisten müssen und vielleicht sogar etwas von ihrem Taschengeld abgeben hätten müssen.

Direkt am selben Tag hat Thomas dann (wieder mit seinem jüngeren Bruder) noch das Rindenmulch von dem in unserem Garten angelegten Spielplatz weitflächig weggeschaufelt, damit er "besser barfuß auf dem blanken Boden laufen kann". Als ich dies sah, habe ich beide entsetzt gefragt, was das nun wieder soll. Die Jungs schoben es wieder jeweils auf den anderen. Ich fragte Thomas, was das nun schon wieder soll und dass er wohl von einem Blödsinn in den anderen kommt. Ich verlangte dann von Beiden, dass sie das Rindenmulch wieder anständig verteilen. Dabei haben sie sich aber so ungeschickt angestellt, dass es am Ende mein leiblicher Sohn mit mir zusammen machte und Thomas mit seinem Bruder währenddessen Unkraut zupfen mussten.

Und am heutigen Tag ging es weiter. Als ich im Keller etwas holen wollte, entdeckte ich dort eine kleine Handsäge auf einer Kommode. Als ich näher hinsah, sah ich eine tiefe Kerbe, die dort hineingesägt wurde. Daraufhin holte ich meine drei Pflegekinder und fragte wer dies gewesen sei. Zuerst leugneten es alle drei. Als ich dann damit drohte, dass ich meinen leiblichen Sohn dazu holen würde, gestand Thomas, dass er es gewesen war. Fassungslos fragte ich ihn, ob er denn noch ganz dicht sei und als er dann wieder einmal nur mit seinen Schultern zuckte, rastete ich aus. Ich brüllte ihn an, dass das doch alles nicht mehr normal ist, ob er denn krank im Kopf sei. Solche Sachen machen schließlich vielleicht Drei- bis Vierjährige, aber keine 15-Jährigen. Thomas schaute wie immer auf den Boden und als ich ihn nochmal fragte, WARUM er so etwas macht, zuckte er wieder nur mit den Schultern und sagte "keine Ahnung". Als ich danach wieder im ruhigeren Tonfall von ihm eine Erklärung haben wollte, konnte er sie mir nicht geben - er meinte nur lapidar "weil ich bock darauf hatte". Ich zählte ihm die Kosten für den verursachten Schaden auf und meinte, dass er wenn er das bezahlen müsste, mindestens ein Jahr kein Taschengeld bekommen würde. Auch mein leiblicher Sohn stellte ihn zur Rede, als er den Streit mitbekam. Thomas reagiert aber immer gleich: Schulter zucken, Boden starren, "keine Ahnung", "weiß ich nicht".
Ich fragte ihn, ob er das extra machen würde, weil er mir eins reinwürgen will, weil er sein Handy zur Zeit nicht bekommt oder weil es ihm hier bei mir nicht gefällt und ob er lieber in einer anderen Pflegefamilie oder in einem Heim wäre. Daraufhin meinte er nur "nein".

Ich bin mit meinem Latein wirklich am Ende, ich kann schon nicht mehr richtig schlafen, weil ich ständig auch denke, vielleicht liegt es ja an seiner familiären Vorgeschichte. Da er aber schon 6,5 Jahre bei mir ist, kann ich es mir irgendwie nicht vorstellen, dass sich das jetzt erst zeigt.
Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass Thomas und seine Geschwister traumabedingt eine Konzentrationsschwäche haben, die medikamentös behandelt wird. Thomas ist seit gut zwei Monaten zudem einmal wöchentlich bei einem Jugendpsychologen, damit er seine frühkindlichen Erlebnisse verarbeiten lernt.

Dies war jetzt nur diese letzte eine Woche, die bei mir das Fass zum überlaufen brachte, sein Verhalten zeigt sich aber schon seit mindestens zwei Jahren und hängt wohl auch mit der Pubertät zusammen. Einige Beispiele sind:
- Häufiges Lügen
- Tricksereien bei den Hausaufgaben
- Nichteinhalten von Absprachen
- Häusliche Arbeiten nicht erledigen
- Dreck auf das Hausdach werfen
- Im Streit seinen kleinen Bruder mit einer Säge bedroht (einmalig vor ca.2- 3 Jahren)
- Mit einer Feile einen Schrank und einen Schreibtisch angesägt
- Unzuverlässigkeit (Fahrrad nicht absperren)
- verantwortungsloser Umgang mit eigenen und fremden Sachen (zerstören, Verlust etc.)

Ich verstehe das Verhalten von Thomas auch deswegen nicht, weil er ja auch jedes Mal Konsequenzen für sein Verhalten tragen muss, wie z.B. "Strafjoggen", wenn möglich Wiedergutmachung, Handyverbot, Fernsehverbot, Teilabgaben vom Taschengeld etc.

Vielleicht weiß jemand Rat, was ich machen könnte, damit es wieder besser bei uns läuft.

Hoffnungsvolle Grüße
Omami
06.07.2018, 08:04 Uhr | marinadiezweite
Hallo Omami, ich möchte auch noch mal wie die anderen Schreiberinnen betonen, dass du eine sehr schwierige Aufgabe hast. Und diese versuchst, täglich wieder gut zu meistern. Ich möchte da nochmal drei Gedanken aufgreifen. Der erste ist, dass es Geschwister sind. Unter Nachbarsjungen verpetzen sich Kinder sicher eher mal, wenn es darum geht, wer einen Blödsinn angefangen hat. Am liebsten war es im Zweifelsfall der andere. Unter Geschwistern ist das viel komplizierter. Sie halten zusammen, was ja auch toll ist. Wird aber eine Strafe zu stark, halten sie nicht mehr zusammen und verraten sich lieber auch gegenseitig.
Daher hilft es manchmal den Blick nicht so sehr auf den Täter zu richten. Sondern auf die Wiedergutmachung. Also die Frage, wer war das, warum hat er das gemacht. Die sollte nicht so im Vordergrund stehen. Denn ich finde auch wichtig, dass Kinder zu ihren Taten stehen. Nur so kann man diese richtig bewerten. Und auch zusammen überlegen, wie man das wieder gerade biegen kann.
Mach da ruhig einen Unterschied zwischen Beschädigung von fremdem Eigentum und deinem eigenen Eigentum. Sowie Dingen, wo der Junge dann Ärger bekommt. (Schulaufgaben, Fahrrad).
Er selbst merkt sicher, dass er nicht altersgerecht entwickelt ist. Und es schmerzt schon sehr, wenn man das täglich merkt. Da kann durchaus manchmal Provokation dahinterstehen. Wie lange kann ich nerven, bis Mama mich dann doch weggibt. Aber genau weiß man das nicht.
Der zweite Punkt ist dein Sohn. Er greift für mein Gefühl ein wenig zu viel ein. Beziehungsweise ist er vielleicht für dich der Massstab, wie Kinder sein könnten. Aber vergess nicht, er ist schon 34. Es wirkt dann manchmal auf die Geschwisterschar und besonders den Großen so. Ach da kommt der perfekte. Der richtet alles wieder und ich bin zu blöd.
Ich fände es gar nicht verkehrt, wenn du deinen Sohn mehr in die Wiedergutmachung einbinden kannst. So er das will. Dann kommen nicht mehr zwei schlaue Erwachsene, die ein Mulchbeet wieder in Ordnung bringen, weil der dumme Junge das nicht schafft. Sondern vielleicht kann dein Sohn ihm auch ein wenig zeigen, wie man das wieder schick macht im Garten. Ich denke nämlich, dass es manchmal gar nicht die Worte sind sondern die Person, die sie ausspricht. So kann der Große mal schauen, wie man das Beet wieder anlegt. Wie man Holz repariert und behandelt. Irgendwoher muss er ja lernen, wie man mit Dingen umgeht. Die kleineren Geschwister gehen ja noch paar Jahre in die Schule. Aber der Große wird vielleicht bald eine Lehre beginnen? Da ist es gut, wenn er jetzt schon Fehler eingestehen kann. Und mal eine schützende Hand ergreifen kann.
Das dritte, abends reden und so finde ich gut. Dennoch bemerkt man auch, dass man an seine Grenzen kommt. Wenn man immer abends nochmal was korrigieren oder reden muss. Du hast ja die Kinder nicht von Anfang an gehabt. Da ist es schon unglaublich schwer, sie alle so gerecht und altersgerecht zu behandeln. Es ist aber vielleicht leichter, wenn sich nicht ganz so oft alles um die Kinder und ihre Probleme dreht. Denn viele Mütter können da ein Lied von singen. Hausaufgaben, Aktivitäten, das alles mal drei. Da kommt schon Zeit zusammen. Dann seine Therapie, deine Beratungsgruppe.
Ich hab selbst mehrere Kinder, und hatte eine Zeitlang ein Pflegekind. Ich hab dann angestrebt, dass wir einiges gemeinsam machen. Dass wir aber auch mal Mittags und so eine Pause hatten von allem und allen.
03.07.2018, 23:48 Uhr | Omami
Hallo BabyOne, vielen Dank für deine Rückmeldung.

Du hast sicherlich recht, dass das meiste was Thomas den ganzen Tag so anstellt, unter der Kategorie Kinderblödsinn fällt. Und eigentlich werde ich von meinen Freundinnen auch immer wegen meiner guten Nerven bewundert. Aber leider vergeht in letzter Zeit fast kein Tag, wo eins der Kids irgendeinen Blödsinn macht und deshalb denke ich, hat mein Nervenkostüm ganz schön gelitten. Jetzt mit einem Tag Abstand sehe ich das ganze auch schon wieder mit anderen Augen. Ich hab mir jetzt auch vorgenommen, wieder mehr mit jedem Kind einzeln zu unternehmen, auch wenn dazu der Tag oft viel zu kurz ist. Aber so einmal in der Woche, dass jedes Kind eine Stunde mit mir allein verbringen kann, dass könnte schon klappen. Hatten wir übrigens vor längerer Zeit auch schon mal hingekriegt. Leider brauchen meine Kinder wegen ihrer Konzentrationsschwäche ziemlich lange mit den Hausaufgaben, weil wir immer wieder Pausen einlegen müssen, so dass wir nicht mehr viel unter der Woche unternehmen können. Da Thomas im Verein Fußball spielt, sind da auch gleich 3 Tage in der Woche verplant. Seine Geschwister machen dann noch an einem Tag Ju-Jutsu, da bleibt nicht mehr viel Zeit übrig. Zum Glück sind ja bald die großen Ferien, da hoffe ich , dass wir uns alle wieder ein Stück näher kommen bei gemeinsamen Unternehmungen und auch wieder mehr miteinander lachen können. Trotzdem hat es mir gut getan, das alles mal aufzuschreiben, irgendwie sieht man da auch wieder etwas klarer und man weiß wieder, was eigentlich wichtig ist im Leben. Also noch mal herzlichen Dank für deine Antwort. LG
03.07.2018, 21:49 Uhr | BabyOne
Hallo Omami,

Du bittest um konkrete Ratschläge für erzieherische Interventionen, also quasi ein "Kochrezept".

Mir geht es ebenso wie den anderen Antwortenden hier: ich habe nicht das Empfinden, dass das Verhalten des Jungen so ungewöhnlich ist. Er scheint in der Tat etwas unreif zu sein, aber wie man so sagt, das Gras wächst nicht schneller wenn man dran zieht... Reife kommt nur mit der Zeit, da braucht es einfach Geduld. Es mag sein, dass er durch die Therapie im ersten Moment sogar Rückschritte macht, weil da Dinge aufgewühlt werden, die er in sich abgekapselt und verdrängt hatte und die ihn jetzt emotional wieder in die Situation zurückversetzen, als er jünger und hilflos war. Ein Teil so einer posttraumatischen Stressreaktion kann ja auch sein, dass man Bilder und sehr deutliche Erinnerungen an die traumatische Situation hat, gegen die man sich nicht so recht schützen kann. Dass man mit solchen Gefühlen im Hintergrund auch mal in Gedanken irgendetwas macht, das im Nachhinein nicht zum Alter passt und irgendwie "dumm" wirkt, kann ich schon verstehen. Wenn ich mich mit so etwas herumschlagen müsste, wäre ich sicher auch nicht immer sehr rücksichtsvoll, vorausschauend und umsichtig.

So nervig wie das für Dich sein mag, aber ich denke nicht dass Du irgendwas grundsätzlich anders machen solltest. Nur vielleicht dann und wann mal tief durchatmen und Dir bewusst machen, dass er einfach ein junger Mensch ist, der noch nicht fertig ist und der es nicht böse meint, wenn er mal etwas macht was Dich ärgert. (Nebenher, manches was Du beschrieben hast fand ich jetzt überhaupt nicht schlimm - den Rindenmulch beiseite zu räumen beispielsweise. Oder das Fahrrad nicht absperren - ich hoffe das Fahrrad ist nicht zu wertvoll, aber das ist nun wirklich so typisch für verpeilte Jugendliche...) Ich weiß dass das nicht immer einfach ist - ich habe in meinem Badezimmerspiegel immer noch die Kerbe, die mein Stiefsohn da mal "einfach so" (warum? Schulterzucken...) hinein geschnitzt hat, in einen nagelneuen Holzrahmen... ich weiß noch wie ich damals sauer war.Heute sehe ich die Kerbe gar nicht mehr. Da ist die eigene emotionale Reaktion manchmal viel heftiger als die Sache es letztlich wert ist. Denn was ist schon eine kleine Kerbe in einem Holzrahmen? Eine Kerbe in einem anderen Menschen oder im eigenen Arm wäre viel schlimmer... oder Drogen, Alkohol... Agressivität Dir oder den Geschwistern gegenüber... da gäbe es so vieles, was mit der Vorgeschichte und in dem Alter viel schlimmer sein könnte. Besinne Dich zwischendrin mal darauf, was er gut macht, wo er sich anständig verhält (auch zuzugeben dass man etwas ausgefressen hat gehört dazu...), damit Du ihn mit etwas mehr Milde betrachten kannst. Dann erübrigt sich die Frage nach wirkungsvolleren Strafen oder Erziehungsmaßnahmen von selber.
Zuletzt editiert am: 04.12.2018, 14:07 Uhr, von: BabyOne
"Gute Erziehung heißt zu verbergen, wie viel wir von uns selbst halten und wie wenig von anderen." (Mark Twain)
03.07.2018, 18:41 Uhr | Omami
Hallo,

zuerst einmal danke für die schnellen Antworten.

Ich denke aber, ich muss dazu noch ein bisschen etwas erklären. Ich habe mein Problem hier hereingestellt um Ratschläge zu bekommen, wie ich eben diese Spirale des "etwas anstellen und danach Bestrafung" zu durchbrechen. Dass es so nicht weitergehen kann, ist mir durchaus klar.
Natürlich spreche ich Thomas nicht immer so krass an, aber falls mir doch mal die Nerven durchgehen, kann dies schon mal passieren, da will ich auch gar nichts beschönigen. Jedoch spreche ich mit ihm nach einiger Zeit, meist am Abend wenn seine Geschwister im Bett sind, nochmal in Ruhe über den Vorfall. Ich habe mich dann auch schon einige Male bei ihm entschuldigt, dass es von mir nicht in Ordnung war ihn so anzureden und manchmal auch anzuschreien. Ich sage ihm dabei aber auch, wie fertig es mich macht und auch wie hilflos ich mich dabei fühle, weil ich sein Verhalten einfach nicht verstehen kann und dass meine Reaktion aber trotzdem falsch war.

Ich hatte mir später auch Vorwürfe gemacht, dass ich Thomas gefragt habe, ob er das Ganze nur macht, weil er nicht mehr bei mir sein will. Aber ich hatte kurzzeitig wirklich das Gefühl, dass er das vielleicht deswegen macht und er es mir einfach nur nicht sagen mag, dass er lieber eine andere Pflegefamilie hätte, da es bei uns momentan ja wirklich für uns alle nicht so einfach ist.

Ich weiß auch von mehreren Fortbildungen, die ich besucht habe und auch von verschiedenen Traumabüchern, dass gerade Kinder mit solch schlimmen frühkindlichen Vernachlässigungen und Misshandlungen oft große Bindungsstörungen haben, sehr verunsichert sind und auch angst haben, dass sie wieder allein gelassen werden. Eigentlich glaube ich aber schon, dass sich meine drei Pflegekinder bei mir sicher fühlen und auch wissen, dass sie hier für immer ein neues Zuhause gefunden haben, weil ich später nach einem Streit auch immer betone, dass ich sie trotzdem total lieb habe, auch wenn ich ihr Verhalten gerade gar nicht mag.

Noch kurz zu dem Begriff "Strafjoggen" :)
Damit meine ich, dass ich schon sehr früh angefangen habe, die Drei nach einem Streit oder anderem aggressiven Verhalten eine Runde um unser kleines Dorf joggen zu lassen. Danach waren sie wieder ausgeglichen und haben sich auch wieder vertragen. Auf die Idee bin ich gekommen, weil die Drei in ihrem früheren Zuhause nur vor dem Fernseher geparkt wurden und schon bei dem kleinsten Spaziergang müde geworden sind, da hatte ich angefangen Sport in ihren Alltag zu integrieren. Wenn Zeit ist, joggen wir auch in der Freizeit gemeinsam. Das Wort "Strafjoggen" hört sich für Außenstehende wahrscheinlich seltsam an, aber Thomas hat mich erst kürzlich gefragt, ob er laufen darf, da er nach einem Streit "runterkommen" wollte. Meiner Anischt nach ist das eine sehr gute Art seine Aggressionen rauslassen zu können.

Von diesem Forum würde ich mir noch wünschen, dass mir jemand konkrete Ratschläge geben kann, wie ich in solch für uns doch schwierigen Situationen, "richtig" handeln kann um diese Spirale zu durchbrechen. Mir fehlen tatsächlich die Ideen für andere "erzieherische Interventionen" um nicht Konsequenzen und Strafen aussprechen zu müssen. Wiedergutmachung versuche ich ohnehin schon soweit möglich anzuwenden.

Ich danke jedem, der mir Tipps gibt, schon mal im Voraus.
03.07.2018, 12:36 Uhr | Basa-Bine
Hallo Omami,

ich höre bei deinen Schilderungen heraus, dass du sehr bemüht bist deine Pflegekinder angemessen zu erziehen, dabei aber an deine eigenen persönlichen Grenzen stößt. Hier prallen natürlich auch unterschiedliche erlernte Familienkonzepte aufeinander und nach 6,5 Jahren höre ich doch den Wunsch heraus, dass sich die Kinder doch so langsam an deine Familienwerte und -normen "anpassen" bzw. sie für sich übernehmen könnten.

Meine "VorrednerInnen" haben sicherlich ein stückweit recht und es wäre hilfreich, trotz oder gerade wegen seinem Verhalten Thomas das Gefühl zu vermitteln "gewollt zu sein" und ein "sicherers zu Hause zu haben".

Bei all den Sachen, die er so anstellt ist eine Form der Konsequenzen wie du schreibst die "Wiedergutmachung" - die so als Methode die Beraterin der bke auch vorgeschlagen hat. Für mich und sicherlich auch für dich stellt sich aber die Frage, wie z.B. eine Wiedergutmachung oder Reparatur eines angesägten Möbelstücks erfolgen kann - ohne dabei eine Konsequenz auszusprechen? Den Frust und den Ärger, der bei dir in solchen Siuationen entsteht, kann ich gut nachvollziehen. Sicherlich sollte man Ausdrücke wie "nicht ganz dicht" etc. nicht nennen, dennoch kann man auch von einer Pflegemutter nicht erwarten in jeder Siuation ruhig zu bleiben und immer die richtigten Worte zu finden. Ich finde es auch schwierig "nur" über die durch den Schaden entstandenen Gefühle zu sprechen und welche Auswirkungen Thomas Aktionen haben. Das gehört sicherlich dazu, dennoch spielt das tatsächliche Alter von 15 Jahren eine Rolle - in der Thomas lernen sollte, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Wenn ich zwischen den Zeilen lese, höre ich bei dir gerade auch deshalb Sorge um Thomas und Hilflosigkeit heraus.

Die Fragen, die sich mir aufdrängen sind deshalb:
- Wie kann Thomas lernen Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen? In meinen Augen, wäre es sinnvoll wenn Thomas sich selbst für seine "Taten" eine geeignete Wiedergutmachungsleistung überlegen muss.
- Wie lernt Thomas die Folgen seines Handeln abzuschätzen? Hier würde ich mit Thomas zum Einen das Gespräch suchen und über Gefühle etc. sprechen; gleichzeitig muss ihm aber auch bewusst gemacht werden, welche Folgen solche Aktionen (Sachbeschädigung etc.) in der "ungeschützten Außenwelt" haben. (Anzeige, berufliche Zukunft etc.)
- Wie kann Omami in schwierigen Situationen angemessen reagieren? Vielleicht wäre es sinnvoll, erst einmal aus der Situation herauszugehen und sich "zu sammeln". Omamis Ratlosigkeit und Verzweiflung zeigt mir, dass die Frage offen bleibt, wie sie dann angemessen reagieren kann, um "alles richtig zu machen". Habt ihr da "konkrete" Vorschläge dazu?
- Wie können Omami und Thomas wieder zueinander finden, sodass sich Thomas sicher fühlen kann und auch Omami wieder positive Begegnungen mit Thomas hat? Auch Omami beschreibt, dass sie das Gefühl hat, dass Thomas lieber in einer anderen Pflegefamilie wäre... Gemeinsame Aktivitäten ohne die Pflegegeschwister, z.B. einmal wöchentlich? Gemeinsame Abende (eine halbe Stunde) für ein Spiel oder Gespräche, wenn die "Kleinen" im Bett sind?

Ich bin gespannt auf eure Meinungen dazu.

Liebe Grüße
Basa-Bine
Zuletzt editiert am: 04.12.2018, 14:07 Uhr, von: Basa-Bine
03.07.2018, 08:57 Uhr | bke-Eddy-Kreuzer
Sehr geehrte Userin Omami,

willkommen in unserem Elternforum und vielen Dank für Ihren ausführlichen Beitrag. Als einer der Moderatoren möchte ich Ihnen gern meine Gedanken zu Ihrem Anliegen zur Verfügung stellen. Sie berichten vom Verhalten Ihres 15 - jähigen Pflegesohnes, der sich seit einiger Zeit immer wieder mal auffällig zeigt. Sie haben bereits viele Sanktionsmaßnahmen ausprobiert, wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass mich das "Strafjoggen" etwas befremdet hat. Wie muss ich mir das vorstellen und welche Wirkung soll das haben?
Die Auflistung des Verhaltens am Ende Ihres Textes würde ich unter ein normales zählen "wir machen mal Dummheiten" zählen, was viele Kinder zeigen und im Grunde keine schwerwiegenden Verhaltensauffällighkeiten darstellen. Da sind die Wahrnehmungen und Empfindungen sicherlich unterschiedlich. Dennoch denke ich, dass an diesen Stellen eine normale erziherische Intervention ausreichend angebracht ist.
Als auffällig habe ich die Reaktion Ihres Sohnes empfunden. Da hatte ich einen kleinen Jungen vor mir, der das Ausmaß seiner Taten nicht so richtig abschätzen kann und nicht weiß, was er dazu sagen soll, da er das Unrechtsempfinden möglicherweise so nicht hat. Sie haben beschrieben, dass er in Folge eines Traumas behandelt wird und seit Kurzem an einer Therapie teilnimmt. Es kann gut sein, dass in Folge der Therapie zurückliegende Ereignisse reaktiviert werden und sich somit entsprechende Verhaltensmuster zeigen. Natürlich benötigen Kinder Grenzen, um sich orientieren zu können. In Ihrem Fall habe ich den Eindruck, dass eine Spirale von Tat und Bestrafung entstanden ist und letztlich auch die Drohung im Raum steht, in ein Heim gehen zu müssen. Die Urgefühle nicht gewollt zu sein und keinen sichern Ort zu haben, welcher für traumatisierte Menschen jedoch sehr wichtig ist, könnte sich wiederholen.
Im Grunde hat der Bauer sehr gut reagiert. Ihr Sohn hat einen Schaden verursacht und seine übliche Erfahrung ist Bestrafung. Nun hat er aber erfahren, dass ihm verziehen wurde und dennoch weiß er, dass es nicht richtig gewesen ist, den Mais zu zerstören. Für sein Selbstwert kann das eine gute Erfahrung sein, denn er weiß, die Tat war nicht in Ordnung, dennoch ist er kein schlechter Mensch.
Es könnte also gut sein, den Kreislauf von Tat und Bestrafung zu unterbrechen und ihm den Werzt zu vermitteln, die Grenzen und Sachen der anderen zu achten, so wie er auch seine Grenzen geachtet haben möchte. Dazu benötigt er aber eine ausreichehnde Selbstwahrnehmung, die er möglicherweise in Folge seiner Erfahrungen nicht ausbilden konnte. Es könnte hilfreich sein, Ihrem Sohn zu vermitteln, wie sich die anderen fühlen, wenn er etwas kaputt macht und ihn dazu zu animieren, die Dinge wieder zu reparieren. Eventuell können Sie das dann gemeinsam machen. Er solte also für seine Taten einstehen und auch Energie und Zeit investieren, aber nach Möglichkeit nicht sofort bestraft werden.
Nun bin ich gespannt, wie die anderen User dazu denken und hoffe, dass Sie noch viel Antworten auf Ihren Beitrag erhalten.

Viele Grüße bke-Eddy-Kreuzer
03.07.2018, 08:16 Uhr | marinadiezweite
Hallo Omami, ich gebe gern mal Tipps. Aber in diesem Fall muss ich erstmal sagen. Oh, was du dir da für eine Aufgabe zutraust, ist schon enorm. Pflegekinder sind sicher nicht immer einfach. Mich stört aber, was du den Kindern gegenüber äußerst. Denn Pflegekinder sind eigentlich, um es vereinfacht zu sagen, kein bisschen lieber und vernünftiger als eigene Kinder. Es kann aber sein, dass sie durch die verschiedenen Umstände Spätentwickler sind. Sowie auch mehr herausforderndes Verhalten zeigen.
Nun zu der Situation. Sie haben einen Blödsinn gemacht, den wohl eher 11 oder 12-jährige machen. Da hast du Recht. Ich finde deine Ausdrucksweise da dennoch sehr hart. Wenn der Bauer sagt, dass es mit der Strafe in Ordnung ist, dann ist das auch in Ordnung. Klar, du hättest dir eine härtere Strafe gewünscht. Aber ob diese einen größeren Lerneffekt hat? Meist führen sehr harte Strafen und Belehrungen nur zu noch mehr Verbocktheit. Insofern fand ich die Reaktion des Landwirtes toll und würde das so stehen lassen.
Ja, ich kann mich erinnern, mein Sohn hat den gleichen Blödsinn mit einem Nachbarjungen gemacht. Auf die Frage, wer den Anfang gemacht hat, sollte man da meiner Ansicht nach gar nicht eingehen. Dadurch verfeindet man die Kinder untereinander. Denn ich will ja auch nicht, dass sie sich verpetzen oder womöglich ist es nachher keiner gewesen.
Es klingt vielleicht verrückt, aber ich hab dann die Ehrlichkeit gelobt. Und beide mussten sich natürlich entschuldigen und durften den Hof des Landwirtes fegen. Was sie gar nicht so schlimm fanden.
Im übrigen ist es manchmal ganz gut, wenn man in der Nachbarschaft Menschen hat, die in Kindern Potentiale sehen, die man selbst nicht bieten kann. Nein, Tische schnitzen ist nicht lustig. Aber bei anderen Leuten sinnvoll beschäftigt kann es durchaus sein, dass der 15-jährige auch mal was toll macht.
Ich sag mal so, in der Tat denken sie sich nichts dabei. Lebensmittel vernichten haben doch die meisten Kinder, egal ob eigene oder nicht eigene gar nicht auf dem Schirm.
Oh ja, und mein Sohn hat auch seinen Namen in unseren Esstisch geritzt. Stimmt, er war da erst 11 oder 12. Später macht man das nicht mehr. Aber ich glaube, der Hinweis auf das Alter bringt dich nicht weiter. Ich weiß nicht, warum sie Dinge machen, die eigentlich jüngere Kinder machen. Denke aber, dass sie sich noch schlechter fühlen, wenn du sie so ansprichst und sie gemeinsam Rechenschaft ablegen lässt.
Besprecht auf jeden Fall mal Schadenswiedergutmachung. Und dass dich das persönlich ärgert, dass Dinge beschädigt werden. Dass es aber nichts mit der hoffentlich vorhandenen Liebe zu Pflegekindern zu tun hat. PS. Ich selbst hatte eine Pflegemutter. Wenn die manchmal zu mir sagte, bist du krank im Kopf, bist du beklopt? Dann hab ich schon daran gezweifelt, ob ich okay bin oder wohl unerwünscht???
Tricksereien mit Hausaufgaben. Dazu möchte ich noch schreiben, dass man da nicht mit Strafen arbeiten sollte. Sondern unbedingt die Eigenverantwortung stärken. Der oder die Lehrer sollten natürlich mitteilen, wenn was nicht klappt und nicht gemacht wird. Aber schaden tut der junge Mann sich nur selbst. Lass nicht zu, dass er da trickst. Da ist keine Strafe nötig, da er diese sicher schon in Form von Einträgen und so bekommt. Sicher fühlst du dich da sehr mit verantwortlich. Aber die Schulkinder müssen auch lernen, dass es für sie selbst in der Schule Konsequenzen hat, wenn sie nicht fleissig sind. Das ist schon Strafe genug, finde ich.
Zuletzt editiert am: 04.12.2018, 14:07 Uhr, von: marinadiezweite

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