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30.05.2017, 12:55 Uhr | bke-Ida-Lindt
Liebe Community,

im politischen Feuilleton des Deutschlandfunk Kultur wurde am 15.05.2017 ein Artikel von Astrit von Friesen unter dem Titel „Fehlende Frustrationstoleranz - Wie sich Eltern von ihren Kindern dominieren lassen“ veröffentlicht, der mich sehr nachdenklich gestimmt hat und den ich deswegen an dieser Stelle mit Ihnen „teilen“ möchte.

Frau von Friesen beschreibt, dass die Fähigkeit Frust auch mal (eine Zeit lang) auszuhalten, weil man etwas nicht (sofort) bekommt, durchhalten oder Langeweile überwinden muss, ein wichtiger Motor für Menschen und für unsere Gesellschaft ist. Wir lernen damit beruflich oder privat Wege zu suchen, die eigene Situation zu verändern und auch mal einen längeren Atem zu zeigen, sich zu bemühen, etwas zu leisten, durch- oder auszuhalten.

Die Autorin argumentiert, dass einige Kinder „Den Realitäten des Lebens nicht gewachsen“ sind, wenn ihnen (von Erwachsenen) zu selten „etwas zugemutet“ wird. Sie sieht die Gefahr, dass das bereits häufig zu beobachten ist und macht darauf aufmerksam, dass manche Kinder zu selten auch mal abwarten/aushalten/sich langweilen/ sich anstrengen müssen und es somit nicht gewöhnt sind, sich für eine Sache einzusetzen. In der Folge springen sie schnell ab, bringen einiges nicht zu Ende, sammeln Misserfolge.

Beim Lesen kamen mir sofort Beispiele aus dem Berufsalltag in den Sinn, von Kindern, die einen Sport oder das Erlernen von einem Instrument sofort abbrechen durften, als die erste „Durststrecke“ kam, von Kindern, die von einer Jugendgruppe abgemeldet wurden, weil sie einen Streit mit dem Jugendleiter nicht klären wollten, von Kindern, die nach zwei Terminen Beratung/Therapie mit Hilfe ihrer Eltern das Angebot wechseln, weil das Problem noch nicht gelöst ist…

Ich könnte die Liste noch fortsetzen, aber vielleicht haben Sie schon einen Eindruck gewonnen. Vielleicht könnten Sie die Liste selbst fortsetzen? Oder vielleicht sind Sie ganz anderer Meinung? Ich würde gerne mit Ihnen in den Austausch kommen zu dem Thema:

Fehlt es „unseren Kindern“ an Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen?

Und:
Wie können wir Kinder dabei unterstützen das zu erlernen?
Oder:
Brauchen wir das überhaupt oder wäre es nicht in der Tat besser, die Gesellschaft würde sich so strukturieren, dass es nicht notwendig ist?

Ich bin gespannt auf Ihre Ideen, Erfahrungen und Meinungen!
bke-Ida Lindt
10.07.2017, 09:22 Uhr | marinadiezweite
Hallo liebe user und Berater. Das Beispiel mit der Karies ist ganz gut. Da finde ich, ist es so, dass wir die Kinder nicht auf die Nase fallen lassen können. Da ist das Elternwissen größer als das Kinderwissen. Ist so ähnlich, wie ich ja bei einem Kind auch nicht einfach zuschauen würde, wie es einen zu heißen Tee trinkt. Ansonsten gibt es soviele Erfahrungen, die nicht weh tun.
Es kommen immer mal wieder neue Klippen, die es zu umschiffen gilt. Beispiel Einkauf. Wenn ich jedesmal nach endlosem Gejappel, nachgebe und die Gummibärchen kaufe, am besten noch als kleiner Direktverzehr vor dem Bezahlen. Dann wird mir wohl jedes Mal dieses erfolgreiche Theater bevorstehen. Ich kann aber auch abmachen, dass wir zwar auf jeden Fall eine Tüte kaufen, aber diese erst zu Hause geöffnet wird. Das kann ein Kind aushalten, ohne bleibenden Schaden. *woot*
Später mit zunehmendem Alter werden die Phasen des Aushaltens wohl eher länger. Musikschule, Sportverein, das sind alles so Phasen. Ich hab da gute Erfahrungen gemacht, nicht gleich dem ersten Wunsch nachzugeben. Es gibt fast überall Schnupperangebote. Das kann man ausprobieren. Außerdem kann man abmachen, ein halbes Jahr bitte durchhalten. Je nachdem, wie teuer der Kurs, wie teuer das Material ist.
Mein Sohn sollte mal aus gesundheitlichen Gründen Judo mitmachen. Das machte ihm auch echt Spass. Wir haben am Anfang erstmal gebrauchte Kleidung gekauft. Ich finde das gut, wenn man da klein anfängt. Wenn es dann nicht hinhaut oder aufgegeben wird, ist das nicht so tragisch.
09.07.2017, 00:26 Uhr | Spidermom
Hallo,

ich finde es immer schwierig anhand von ein paar Beispielen zu generalisieren. Wenn man einige Kinder sieht die in einer Situation zu schnell "aufgeben" dürfen, heißt das nicht dass alle Kinder so sind. Und auch nicht dass genau diese Kinder immer, in allen Situationen so sind. Jede Eltern und Kinder haben ja ihre Stärken und Schwächen und ihre eigenen Bereiche wo sie besser durchhalten und weitermachen können. Das hängt vielleicht auch davon ab wo die Eltern sie gut unterstützen können oder auch einen Misserfolg selbst ertragen können. Das eine Kind kann super schnell rennen, das andere schon selber die Zähne putzen. Weil die eine Mama es ertragen könnte, wenn das Kind hinfällt, und die andere Mama eine entspanntere Sicht auf Karies hat.
Warum soll ein Kind sich ewig quälen wenn es keine Freude daran hat, ein Instrument zu spielen? Wenn es durch das Aufhören einen Misserfolg erlebt ist das doch auch Frustration, mit der es umgeht. Ich finde gar nicht dass Eltern sich in die Hobbies der Kinder so sehr einmischen müssen, sondern wenn auch den Kindern ermöglichen können verschiedenes auszuprobieren und herauszufinden was gut zu ihnen passt. Hobbies sollten doch zur Freude da sein. Wenn man eine Therapie abbricht ist das sicher ärgerlich (und auch als Therapeut frustrierend), aber wer weiß vielleicht findet genau dieses Kind anderswo jemanden der oder die ihm besser helfen kann. Immerhin hat sich die Familie schon einmal durchgerungen sich Hilfe zu suchen.
Ich kann mir auch vorstellen dass manche Eltern in der Öffentlichkeit eher mal "nachgeben" weil sie Angst haben dass die Gesellschaft die Frustration der Kinder gerade nicht erträgt. Da kauft man lieber schnell die gewünschten Gummibärchen, als sich den Blicken hinzugeben, wenn das Kind mitten in der Quengelzone zusammenbricht und sich laut schreiend auf den Boden wirft. Ich habe noch nicht erlebt dass dann jemand kommt und sagt: "Toll, dass Sie so konsequent mit dem Kind sind und ihm ermöglichen diese Frustration zu erleben." Wäre das nicht auch eine Form von "Frustrationstoleranz", wenn wir tolerieren können dass Kinder frustriert sind?
Und gerade das finde ich ganz wichtig, damit die Kinder mit ihrem Frust überhaupt umgehen lernen. Dass sie ihn erst einmal haben und (in gewissen Grenzen) ausleben dürfen. Dass man sich auch mal richtig ärgern darf wenn man etwas nicht geschafft hat, oder nicht das bekommen hat was man wollte. Dass man richtig laut weinen darf wenn man sich gestoßen hat oder hingefallen ist. So lange bis es nicht mehr so wehtut. Oder dass man auch mal flucht wenn etwas eben richtig *** ist. Und die Erfahrung macht, der Frust ist da, und dann geht er auch wieder vorbei. Wenn diese negativen Gefühle, die Enttäuschung, die Wut, die Traurigkeit etc. erlaubt sind, sind Eltern vielleicht auch weniger unter Druck möglichst schnell nach einer "Lösung" zu suchen. Dann hat man eben mal nichts warmes zu Essen, ärgert sich, isst ein Brot und wird auch satt.
Zuletzt editiert am: 04.12.2018, 14:07 Uhr, von: Spidermom
08.06.2017, 13:17 Uhr | bke-Ida-Lindt
Vielen Dank für Ihren Beitrag marinadiezweite!

Sie stellen die wichtige Frage: Was ist eigentlich diese Lebensrealität, der man gewachsen sein müsste?

Ich verstehe Sie so, dass Kinder manchmal an Stellen beschützt werden, an denen der eigentliche "Schutzgedanke" zu einer Überbehütung oder Bevormundung werden kann und Kindern Verantwortung abgenommen wird, die Sie vielleicht schon selbst tragen könnten.

Es ist sicher nicht immer leicht einzuschätzen, wann dieser Grad zwischen Schutz und Überbehütung überschritten wird. Sie geben zu bedenken, dass die Einschätzung an das Alter der Kinder angepasst sein sollte. Ich lese außerdem heraus, dass Sie mit Ihren Kindern ins Gespräch kommen und klären, ob die Kinder es sich zutrauen Schwierigkeiten selbst zu klären. Das halte ich auch für einen wichtigen Aspekt: Mit Kindern gemeinsam überlegen, wie sie selbst in einer Situation wirksam sein könnten. Unterschiedliche Strategien zu überlegen könnte dann wiederum Kreativität und Lösungskompetenz des Nachwuchs fördern.

Liebe Community, vielleicht gibt es noch andere Meinungen und Ideen dazu? Wie finden Sie im Alltag Ihre eigene Balance zwischen Schutz und Überbehütung?
04.06.2017, 11:38 Uhr | marinadiezweite
Hallo, zu dem Beitrag, sind unsere Kinder der Lebensrealität nicht gewachsen. Da stell ich gerade mal eine Gegenfrage, was ist denn Lebensrealität? Ich hab so paar Beispiele aus dem Alltag einer Mutter, grins. Meine das aber durchaus ernst. Kind verpasst Schulbus, weil der Sportlehrer Unterricht überzogen hat. DAs Kind ruft Mama an, du musst mich abholen. Mama kommt angedüsst. Kinder haben Sportunterricht in einer weit entfernten Sportstätte. Der Weg zu Fuss zurück ist ganz schön weit, ohne Frage. So werden sie von den Eltern abgeholt.
Selbst erlebte Beispiele. Da schätze ich mal so ein, dass wir es unseren Kindern teilweise sehr leicht machen. Ich arbeite in einem Kollegium, wo fast alle Kinder haben. Da ist oft das Thema Kinder beschützen. Kinder werden vor allem und jedem beschützt. Vor einem bösen Lehrer, einer bösen Stiefmutter. Einem unmöglichen Busfahrer. Sie können nicht mehr im Regen heimkommen. Sie müssen sofort was zu essen haben und dazu auch noch spezielle Sachen. Sie können und wollen nicht alles essen. Dürfen dieses und jenes nicht essen, sollen abnehmen, zunehmen.
Alles Originalschilderungen.
Manchmal fällt es mir da schwer, nichts zu zu sagen. Sicher, Kinder brauchen unsere Unterstützung. Doch ich finde, sie können auch manches schon selbst regeln. Sie können selbst dem Sportlehrer sagen, dass sie jeden Montag ihren Bus verpassen, weil er sie immer zu spät aus der Sporthalle gehen lässt. Erst wenn das nicht fruchtet, kann ein Elternteil sich einklinken. Ich hab das meist so gehalten, dass ich meine Kinder gefragt habe, soll ich was sagen oder kriegst du das hin?
Ich versuche meine Kinder da nicht abzuwimmeln. Ein Bus später bedeutete manchmal zwei Stunden Wartezeit zu einer dreiviertel Stunde Fahrzeit. Hab aber definitiv nicht die Lust, sie abzuholen wegen solcher Dilemmas.
Manches Gejappel, hab Hunger, hab ich beendet, indem wir zusammen was gekocht haben. Es gibt x schnelle Gerichte und gute Vorratshaltung. Da kann man ausnahmsweise was zaubern. Ja, manchmal bin ich auch etwas ''gemein''. Mir bruzzelt auch keiner mein Essen, bloss weil ich um 17 Uhr erst heimkomme.
Was dann gut ist, dass ist finde ich abhängig vom Lebensalter der Kinder. Klar lasse ich eine 8-jährige nicht irgendwo rumirren. Logo. Ein 15-jähriger, der einen Bus verpasst hat, der kann schon mal ein wenig warten.
Ich finde, die Kinder und Jugendlichen stellen sich auch darauf ein, wie ihre Eltern sich verhalten. Sie wollen meist keine langen Reden, warum dieses oder jenes nicht machbar ist. Mir reicht es, dass sie akzeptieren, dass manches nicht möglich ist. Oder zu teuer oder zu bequem.

Treffer: 5

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