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Von der Wut überrollt – Wenn Eltern ihre Kinder anschreien


Wütende Eltern

Viele Menschen fühlen sich schuldig und schämen sich, wenn sie Wut empfinden. Dies ist besonders häufig der Fall, wenn Eltern ihre Kinder anschreien. Deshalb ist dieses Thema auch ganz offensichtlich mit einem Tabu belegt, so als ob wir nicht offen mit anderen darüber sprechen dürften. Dahinter steckt aber auch die Angst, von anderen Eltern bewertet zu werden. Tatsache ist jedoch, dass den Eltern öfters der Kragen platzt und das Anschreien in vielen Familien ein alltägliches Phänomen ist.

Wenn Eltern ihre Kinder anschreien, geschieht es meistens aus Wut und Frustration. Die Eltern fühlen sich dann hilflos und überfordert, und manchmal ist Schreien die einzige Möglichkeit, sich auszudrücken. Für die Kinder sind solche Situationen allerdings schwierig – vor allem, wenn diese häufig geschehen: Meist fühlen sie sich verängstigt, beschämt und abgelehnt.

Schreien ist ein Warnsignal dafür, dass sich etwas ändern muss

Wut ist nichts Schlechtes. Ich Gegenteil: Sie ist sogar äußerst wichtig. Allerdings ist der richtige Umgang mit Wut entscheidend. Wut ist eine Emotion, die Energie freisetzt (Stressreaktion), um in Situationen reagieren zu können, die uns nicht passen. Wut sollte daher als Warnsignal genutzt werden, damit wir etwas ändern können. Mahatma Gandhi behauptete sogar, dass Wut ein Geschenk sei, wenn man sie richtig einzusetzen weiß.

Solange wir die Gründe für unsere Wut in den Handlungen anderer suchen, ist es unmöglich, sich zu ändern. Die Handlungen anderer sind nur ein Auslöser. Aus der Perspektive der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) machen uns unsere Bewertungen von Handlungen wütend. Das Verhalten der Kinder ist daher nie Ursache unserer Wut.

Unter Stress sind wir wutanfälliger

Wut ist eine Veränderungsenergie und sollte als Barometer genutzt werden, wenn wir selber nicht merken, dass wir etwas für uns tun sollten. Denn wir sind vor allem dann dünnhäutig, wenn wir unter permanentem Stress stehen. Fälschlicherweise glauben wir, dass das Problem nur dann lösbar ist, wenn der Stressor (der Umstand) wegfällt. Unter Stressoren versteht man zum Beispiel: Krankheit, Schlafmangel, Zeitdruck, streitende/trödelnde Kinder, Konflikte, etc.

Es lässt sich tatsächlich auf der Stressoren-Ebene einiges machen (instrumentelle Stressbewältigung): zum Beispiel Entlastung organisieren, Prioritäten setzen, Erziehungstools anwenden. Doch in manchen Fällen kann auf dieser Ebene kaum angesetzt werden, denn es gibt immer wieder Situationen, die mit unserer eigenen Einstellung zu tun haben: Man spricht dann von Stressverstärkern.

Selbstgemachter Stress

Unsere Einstellung zu Dingen zeigt, weshalb wir in ähnlichen Situationen so unterschiedlich reagieren. Wenn mir Ordnung sehr wichtig ist, nervt es mich viel schneller, dass die Kleider auf dem Boden herumliegen, statt im Wäschekorb. Wenn ich das Gefühl habe, alles perfekt oder selber machen zu müssen, damit es auch wirklich gut kommt oder, wenn es mich kümmert, was Andere von mir denken, kann ich mir das Leben wirklich schwer machen. Stressregulierung geschieht demnach nicht nur durch Zeitmanagement oder Entspannungsverfahren (beides ist zwar sehr wichtig), sondern muss auch auf der Bedürfnisebene und den sabotierenden Glaubenssätzen hin geklärt werden.

Wenn es trotzdem passiert

Der Schlüssel zur Bewältigung unserer Wut im Umgang mit den Kindern liegt darin, sich den eigenen Auslösern bewusst zu sein und sich in einem ruhigen Moment zu überlegen, wie man mit der eigenen Wut umgehen will, wenn sie aufkommt. Wichtig ist auch, dass wir unseren Kindern gegenüber ehrlich sind und ihnen sagen, wie wir uns fühlen. Wir dürfen ihnen ruhig sagen, dass wir wütend sind, allerdings ohne sie für unsere Wut verantwortlich zu machen. Statt: „Du machst mich wütend.“ „Wenn ich alle Spielsachen hier liegen sehe, macht mich das wütend.“ Und, wenn es mal so ist, dass mich die Wut überrollt, dann kann ich meinem Kind auch sagen: „Weißt du was, ich bin gerade sehr wütend/das macht mich jetzt total sauer. Ich muss mich erst mal etwas beruhigen – lass uns das später in Ruhe besprechen.“ – Mit kleinen Kindern kann man zwar nicht mal schnell eine Runde ums Haus joggen, um sich zu beruhigen. Aber es auch schon hilfreich, tief durchzuatmen und bis zehn zu zählen. In der Wut sagen wir oft Dinge, die uns nachträglich leidtun. Deshalb sollten wir uns erst beruhigen, bevor wir Probleme angehen. Wenn alle beruhigt sind, lassen sich dann mit den Kindern ganz wunderbar gemeinsame Lösungen finden.

Fazit

Manchmal sind wir so sehr in Fahrt und genervt, dass wir kaum mehr liebevoll mit unseren Kindern kommunizieren. Wir benutzen dann sehr schnell mal einen unfreundlichen Ton, drohen, schimpfen, nörgeln, weil wir vielleicht etwas zum x-ten Mal sagen müssen oder selber schlecht drauf und unter Druck sind. Erziehung braucht Energie. Dafür braucht es ab und zu Momente des Auftankens, der Selbstfürsorge. Nichts Weltbewegendes. Aber etwas, was uns gut tut.

Und sollten wir mal wütend sein, dann beruhigen wir uns erst einmal, damit wir wieder lösungsorientiert denken können. Schuldgefühle bringen nichts. Wir alle machen Fehler und sollen uns auch für unsere Fehler entschuldigen können – auch bei den Kindern. Wenn wir mit den Kindern verständnisvoller umgehen wollen, müssen wir damit beginnen, selber mit uns nachsichtig zu sein. Denn, wer zu hohe Erwartungen an sich stellt, setzt sich nicht nur selber unter Druck, sondern gibt diesen Druck auch weiter an die Kinder. 

Mehr zum Thema? 
-> Nicola Schmidt im Interview Erziehen ohne Schimpfen.
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Über die Autorin: Christelle Schläpfer ist Pädagogin, Erziehungsberaterin und Gründerin von Edufamily.ch. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin und Coach und hält unter anderem Workshops, Seminare und Onlinetrainings. Unter anderem auch zum Thema Mobbing.